Brief an den Verband der Gastronomie und an die Handwerkskammer (IHK);

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

ich schreibe Ihnen heute in der Hoffnung, dass Sie mir dabei helfen, die Etablissements in der Gastronomie und im Handel behindertenfreundlicher zu gestalten. An Rollstuhlfahrer wird dabei gleich gedacht, aber dabei vergisst man oft die Hörbehinderten, Gehörlosen und Personen mit Cochlea-Implantaten (Hörprothese für Gehörlose/Ertaubte, deren Hörnerv als Teilorgan der auditiven Wahrnehmung noch funktionsfähig ist). Mit nur wenigen Veränderungen können Sie diesen Menschen die Kommunikation während der Corona-Pandemie erleichtern.

 

Hörbehinderte lesen vor allem von den Lippen ab, was durch den coronabedingten Nasen- und Mundschutz nicht möglich ist und die Verständigung gravierend erschwert, bis hin zur Unmöglichkeit. Durch meine Arbeit als Vorstand der Initiative „Schlüssel für Alle e.V.“, einer Initiative für Hörbehinderte und Gehörlose, kenne ich viele Szenarien, in denen Hörbehinderte ihren Alltag nicht bestreiten können: Darunter fallen auch einfache, tägliche Erledigungen, wie zum Beispiel Semmeln beim Bäcker oder Wurst beim Metzger kaufen, in einem Café oder Restaurant etwas bestellen, sich beim Friseur frisieren lassen oder sich bei einer Informationsstelle nach etwas erkundigen.

 

Trotz Corona-Schutzimpfung sind die meisten Mitarbeiter nicht damit einverstanden, kurz den Mundschutz herunterzuziehen, damit man von den Lippen ablesen und sich verständigen kann. Das läuft dann darauf hinaus, dass die gehandicapten Menschen unverrichteter Dinge wieder heimgehen müssen - keine Semmel zum Frühstück, kein Kaffee unterwegs, kein Einkaufen möglich.

 

Zunächst wäre es sehr hilfreich, wenn sich die Servicemitarbeiter, aufgrund ihrer Corona-Schutzimpfung, in der Gastronomie und im Handel trauen würden, kurz den Nasen- und Mundschutz herunterzuziehen, um ein Ablesen von den Lippen zu ermöglichen. Vielleicht könnte man eine generelle Corona-Schutzimpfung für die Angestellten, wie in der Medizin und Pflege, einführen?

 

Oder man könnte andere Möglichkeiten nutzen, um ein Lippenlesen zu ermöglichen. Zum Beispiel mittels einer aufgestellten Plexiglasscheibe zwischen Kunde und Servicekraft, wie es sie in einigen Geschäften bereits gibt. Vielleicht könnte man dieses Konzept generell übernehmen?

Oder vielleicht fällt Ihnen auch noch eine andere Lösung ein? Die hörbehinderte Bevölkerung wäre schon über jede kleine Hilfestellung dankbar. Das barriereartige Gefühl, das mit der Nichtverständigung einhergeht, kann zu Isolation und Depressionen führen. Gerade in schwierigen Zeiten, wie in der Corona-Pandemie, ist es wichtig, dass wir aufeinander Rücksicht nehmen und keine Randgruppen vergessen. Da ich selbst hörgeschädigt geboren wurde, weiß ich, wie schwer sich der Alltag aufgrund einer Hörbehinderung gestalten kann.

 

Ich hoffe sehr, dass Sie uns unterstützen können und wünsche Ihnen einen schönen Tag!

 

Mit freundlichen Grüßen,

Johann Kalteis

Initiative Schlüssel für Alle e.V.

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