Das Bundesteilhabegesetz – Wegweisende Reform der Eingliederungshilfe
Spätestens mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland im Jahr 2009 ist eine Neuformulierung und Modernisierung des Teilhaberechts notwendig geworden. Mit dem Gesetz zur Stär-kung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (kurz: Bundesteilhabegesetz) wurde der Forderung nach einer Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe entsprochen. Das Gesetz wird in mehreren Reformschritten von 1. Januar 2017 bis 1. Januar 2020 in Kraft treten.
Wesentliches Ziel des Gesetzes ist es, u.a. die Leistungen für Menschen mit wesentlichen Behinderungen aus dem bisherigen „Fürsorgesystem" herauszuführen, sie stärker am persönlichen Bedarf zu orientieren und personenzentriert bereitzustellen. Des Weiteren soll die Teilhabe am Arbeitsleben gestärkt sowie die Einkommens- und Vermögenssituation der Leistungsbezieher verbessert werden. Weitere Kernpunkte des Gesetzes werden im Folgenden dargestellt.
Neufassung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch
Schwerpunkt des Gesetzes ist die Neufassung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), das die Vorschriften für die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen enthält. Es wird künftig drei Teile ha-ben: In Teil Eins wird das für alle Rehabilitationsträger allgemein geltende Rehabilitations- und Teilhabe-recht zusammengefasst. In Teil Zwei wird die aus dem SGB XII (Sozialhilfe) herausgelöste und reformierte Eingliederungshilfe als „Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Be-hinderungen" geregelt. Damit konzentriert sich die Eingliederungshilfe künftig auf die reinen Fachleistungen. Die Leistungen zum Lebensunterhalt einschließlich Wohnen werden nach dem SGB XII bzw. SGB II (Grund-sicherung für Arbeitssuchende) erbracht. Teil Drei behandelt das weiterentwickelte Schwerbehindertenrecht.
Die Trennung der existenzsichernden Leistungen von den Fachleistungen kann Auswirkungen auf die Refi-nanzierung gemeinschaftlicher (stationärer) Wohnformen haben, insbesondere auf die Kosten für Unterkunft und Heizung. So wird deren Kalkulation künftig auf Basis der Angemessenheitsmaßstäbe üblicher Kostenbe-rechnungen nach SGB XII/SGB II bzw. gemäß Wohngeldgesetz ermittelt. Nachgewiesene höhere Kosten können im Rahmen eines 25-prozentigen Aufschlags berücksichtigt werden. In stationären Einrichtungen stehen den leistungsberechtigten für die Abdeckung von Bedarfen des notwendigen Lebensunterhalts zu-sätzlich ein Barbetrag und eine Bekleidungspauschale zur Verfügung. Vor dem Hintergrund hoher ordnungs-rechtlicher Auflagen (wie Barrierefreiheit und Brandschutzauflagen) für Spezialeinrichtungen könnten dabei Finanzierungslücken entstehen. Für die Kosten von Unterkunft und Heizung ist eine personenbezogene Be-standsschutzregelung vorgesehen, nach der eine vor dem 1. Januar 2020 bestehende Anerkennung der Kosten auch danach fortbesteht. Für Einrichtungen kann diese Regelung insbesondere bei wechselnden bzw. neuen Bewohnern aber bedeuten, dass die Refinanzierung ab 2020 nicht vollständig sichergestellt ist.
Neuformulierung des anspruchsberechtigten Personenkreises wird erprobt
Bis zum Inkrafttreten der Neudefinition im Jahr 2023 wird der leistungsberechtigte Personenkreis in der Ein-gliederungshilfe weiterhin nach den bisherigen Vorschriften (nach SGB XII) bestimmt. Damit die Neudefiniti-on dann den jetzigen leistungsberechtigten Personenkreis abbildet, sollen zwischenzeitlich eine wissen-schaftliche Untersuchung und eine modellhafte Erprobung erfolgen. Orientierungsgrundlage dafür soll die In-ternationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) sein. Der neue Behin-derungsbegriff soll die Wechselwirkung zwischen der individuellen Beeinträchtigung und den von der Gesell-schaft geschaffenen Barrieren bzw. Teilhabeeinschränkungen abbilden. Er soll dabei stärker als bisher an den vorhandenen Ressourcen der Menschen mit Behinderungen anknüpfen.
Freie Wahl von Wohnort und Wohnform
Mit der in der Eingliederungshilfe neu verankerten Personenzentrierung der Leistungen soll die notwendige Unterstützung nicht mehr an einer bestimmten Wohnform festgemacht werden. Damit entfällt die Unter-scheidung zwischen ambulanter, teilstationärer und stationärer Leistungserbringung. Den Wünschen der Leistungsberechtigten muss entsprochen werden, sofern die Höhe der Kosten der gewünschten Leistung die Höhe der Kosten für eine vergleichbare Leistung nicht unverhältnismäßig übersteigt sowie, wenn der Bedarf nach der Besonderheit des Einzelfalles durch die vergleichbare Leistung nicht gedeckt werden kann. Auch die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände müssen Berücksichtigung finden.
Regelungen für Menschen mit Behinderungen und Pflegebedarf
Anders als im Regierungsentwurf vorgeschlagen, wird es keine Vorrangregelung bei den Leistungen der Eingliederungshilfe und den Leistungen der Hilfe zur Pflege nach SGB XII im häuslichen Bereich geben. Leistungen der Eingliederungshilfe in stationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen umfassen auch die benötigten Pflegeleistungen des Berechtigten, sie werden also weiterhin nebeneinander erbracht. Eine Neuregelung ergibt sich allerdings für die Betreuung von Menschen mit Behinderungen außerhalb von Einrichtungen. Hier wird künftig für die Schnittstellendefinition an das Kriterium der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung angeknüpft. Werden Leistungen der Eingliederungshilfe außerhalb von Einrichtungen erbracht, werden Leistungen der häuslichen Pflege (nach den §§ 64a bis 64f, 64i und 66 des Zwölften Buches) gewährt, solange die Teilhabeziele erreicht werden können und soweit auch vor Erreichen der Regelaltersgrenze Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht worden sind.
In der Lebenssituation eines Menschen, der von Geburt an oder in seiner aktiven Erwerbsphase mit einer Behinderung konfrontiert wird, ist nach Ansicht des Gesetzgebers bei Menschen mit Behinderung neben der Sozialen Teilhabe gerade die Teilhabe an Bildung und die Teilhabe am Arbeitsleben zu fördern. In dieser Lebensphase dominieren damit im Regelfall die Leistungen der Eingliederungshilfe, die auch die Leistungen der Hilfe zur Pflege umfassen. Ein Mensch, der hingegen erst im vorgerückten Alter Pflegebedürftigkeit und Behinderung erleidet, ist von vorneherein im Wesentlichen auf Pflegeleistungen angewiesen. Zudem haben diese Menschen grundsätzlich die Möglichkeit, für einen solchen Pflegefall Vorsorge zu treffen. Daher um-fasst zwar die Leistung nicht die Hilfe zur Pflege, es bleibt jedoch weiterhin ein Zugang zu den Leistungen der Eingliederungshilfe bestehen.
Die Länder können durch Landesrecht bestimmen, dass der für die Leistungen der häuslichen Pflege zu-ständige Träger der Sozialhilfe die Kosten der vom Träger der Eingliederungshilfe erbrachten Leistungen der häuslichen Pflege zu erstatten hat.
Vereinfachte Leistungserbringung
Im Teil zwei SGB IX wird eine Grundlage geschaffen, einfache wiederkehrende Leistungen mit Zustimmung der leistungsberechtigten Personen als pauschale Geldleistung zu erbringen. Hierzu zählen etwa Assistenz-leistungen zur eigenständigen Alltagsbewältigung, zur Verständigung mit der Umwelt und zur Begleitung des Menschen mit Behinderungen. Damit dürfen auch Freunde oder Nachbarn betraut werden. Zur Höhe und Ausgestaltung der Pauschalen nimmt der Gesetzgeber keine Regelungen vor. Darüber hinaus wird es künf-tig möglich sein, dass bestimmte definierte Leistungen gemeinsam in Anspruch genommen werden, wie et-wa Leistungen zur Beförderung oder zum Erlernen von Tätigkeiten zur Haushaltsführung. An der Entschei-dung über die gemeinsame Inanspruchnahme von Leistungen soll der Anspruchsberechtigte beteiligt wer-den. Die im Zusammenhang mit dem Wohnen stehenden Assistenzleistungen im Bereich der Gestaltung so-zialer Beziehungen und der persönlichen Lebensplanung müssen nicht gemeinsam erbracht werden, wenn die leistungsberechtigte Person dies nicht wünscht.
Ausbau der Steuerungsfähigkeit der Eingliederungshilfe und Stärkung präventiver Maßnahmen
Die Koordinierung der Rehabilitationsträger soll verbessert werden, indem der leistende Rehabilitationsträ-ger einen Teilhabeplan erstellt, wenn Leistungen verschiedener Leistungsgruppen oder mehrerer Rehabilita-tionsträger erforderlich sind. Ziel ist es, dass die beteiligten Rehabilitationsträger im Benehmen miteinander und in Abstimmung mit den Leistungsberechtigten den individuellen Bedarf feststellen und schriftlich so zu-sammenfassen, dass sie nahtlos ineinander greifen. Auch öffentliche Stellen, die keine Rehabilitationsträger sind, wie z.B. die Pflegekassen, können einbezogen werden, soweit dies für die Feststellung des Bedarfs er-forderlich ist. Zusätzlich kann mit Zustimmung der Leistungsberechtigten der verantwortliche Rehabilitations-träger zur gemeinsamen Beratung der Feststellungen zum Rehabilitationsbedarf eine Teilhabeplankonferenz durchführen. Die Einbeziehung von Leistungserbringern in diesen Beratungsprozess ist nicht vorgesehen.
Maßnahmen zur Erhöhung der Steuerungsfähigkeit der Eingliederungshilfe sollen künftig zudem durch die Stärkung präventiver Maßnahmen flankiert werden. Diese betreffen insbesondere die Bereiche der Grundsi-cherung für Arbeitsuchende und der Gesetzlichen Rentenversicherung (SGB VI). Ziele sind insbesondere die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit (drohenden) Behinderungen zu erhalten und Zugänge in die Einglie-derungshilfe und in die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) zu vermeiden.
Weiterentwicklung des Vertragsrechts
Das Vertragsrecht der Eingliederungshilfe regelt, unter welchen Voraussetzungen der Rehabilitationsträger die Kosten zu übernehmen hat. Entsprechend der gestiegenen Verantwortung der Leistungsträger wird ihre Steuerungsfunktion durch die Möglichkeit von Wirksamkeitsprüfungen gestärkt. Zugleich werden die Sankti-onsmöglichkeiten bei Verletzung vertraglicher oder gesetzlicher Pflichten erweitert. Der Träger der Eingliede-rungshilfe kann Vergütungsvereinbarungen mit einem Leistungserbringer kürzen und sogar fristlos kündigen, wenn ihm ein Festhalten an den Vereinbarungen aufgrund einer groben Verletzung einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung durch den Leistungserbringer nicht mehr zumutbar ist. Noch liegen keine einheit-lichen Maßstäbe und Kriterien für die Bestimmung der Wirksamkeit vor. Kostenträger, die sich bereits mit der Frage der Wirksamkeit beschäftigen, zielen auf ein Kennzahlensystem ab, das durch weiche Qualitätskriterien flankiert wird.
Des Weiteren wird künftig zur Beurteilung der wirtschaftlichen Angemessenheit im Rahmen des sog. „exter-nen Vergleichs" die geforderte Vergütung mit den Vergütungen vergleichbarer Leistungserbringer im Ein-zugsbereich verglichen werden. Liegt die geforderte Vergütung im unteren Drittel der Vergleichseinrichtun-gen, so gilt sie als wirtschaftlich angemessen. Tariflich vereinbarte Vergütungen und entsprechende kirchli-che Arbeitsvertragsrichtlinien gelten dabei grundsätzlich als wirtschaftlich. Zudem können auch Vergütungs-forderungen oberhalb des unteren Drittels als wirtschaftlich gelten, sofern sie nachvollziehbar auf einem höheren Aufwand des Leistungserbringers beruhen. Verbände äußern hinsichtlich dieser Regelung Kritik. Sie fürchten, dass der externe Vergleich im unteren Drittel zu einer Vergütungsspirale nach unten führen könnte.
Verbesserte Teilhabe am Arbeitsleben
Menschen mit Behinderungen, die Leistungen in einer Werkstatt für behinderte Menschen beziehen, können künftig auch bei alternativen Anbietern Leistungen in Anspruch nehmen. Auf Wunsch des Anspruchsberech-tigten können die Leistungen auch von einer anerkannten WfbM zusammen mit einem oder mehreren ande-ren Anbietern oder von einem oder mehreren anderen Anbietern (ohne Beteiligung einer WfbM) erbracht werden. Diese bedürfen nicht der förmlichen Anerkennung (durch die Bundesagentur für Arbeit) und müssen nicht über eine Mindestplatzzahl und die für die Erbringung der Leistungen in Werkstätten erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen.
Zudem sollen Menschen mit Behinderungen, denen von einem privaten oder öffentlichen Arbeitgeber ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit einer tarifvertraglichen oder ortsüblichen Entlohnung an-geboten wird, als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben ein Budget für Arbeit erhalten. Dieses umfasst ei-nen zeitlich unbefristeten Lohnkostenzuschuss an den Arbeitgeber zum Ausgleich der Leistungsminderung des Beschäftigten sowie die Aufwendungen für die wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz. Der Lohnkostenzuschuss soll bis zu 75 Prozent des vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Arbeitsentgeltes betragen.
Anrechnung von Vermögen und Einkommen auf die Fachleistung
Ab dem 1.Januar 2017 soll ein Vermögensfreibetrag für Bezieher von Eingliederungshilfe und gegebenen-falls anderen Leistungen der Hilfen in besonderen Lebenslagen in Höhe von rund 25.000 Euro eingeführt
werden (bisher rund 2.600 Euro). Bis zum vollständigen Inkrafttreten der Reform am 1. Januar 2020 wird der Freibetrag auf über 50.000 Euro angehoben werden. Auf die Heranziehung der Einkommen und Vermögen von Ehegatten und Partner wird ab dem Jahr 2020 vollständig verzichtet. Pflegebedürftigen Menschen mit Behinderungen ermöglicht der Gesetzgeber ebenfalls den Freibetrag, wenn er aus Erwerbstätigkeit selbst angespart wurde. Außerdem wird der vom Einkommen abhängige Eigenbeitrag von erwerbstätigen behin-derten Menschen abgesenkt.
Unabhängige Beratung
Künftig soll es ein unentgeltliches, allen Menschen mit (drohenden) Behinderungen offenstehendes nied-rigschwelliges Angebot zur Beratung über Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe geben, das die beste-henden Angebote ergänzt und das weitgehend frei von wirtschaftlichen Interessen insbesondere der Leis-tungsträger und Leistungserbringer ist. Die Finanzierung der Beratung durch den Bund soll zunächst bis zum 31. Dezember 2022 gesichert sein. Die Rehabilitationsträger sind verpflichtet, betroffene Menschen über diesen Anspruch im Rahmen ihrer bereits bestehenden Auskunfts- und Beratungspflichten zu informieren und Auskunft über qualifizierte zugelassene Beratungsdienste zu geben.
Fazit und Ausblick
Das Bundesteilhabegesetz verfolgt das Ziel, die Selbstbestimmung und das Wunsch- und Wahlrecht für Menschen mit Behinderungen zu stärken. Der Grundidee des Bundesteilhabegesetzes folgend, sollten an-gebotene Leistungen den individuellen Voraussetzungen und Unterstützungsbedarfen der Menschen mit Behinderungen angepasst werden. Die Leistungserbringer müssen demnach ihr Profil als Dienstleister schärfen und mit einer größeren Angebotsvielfalt aufwarten. Die Fragmentierung der Angebote in einzelne, frei wählbare Leistungsbestandteile würde eine personenzentrierte und damit stärker nachfrageorientierte Beanspruchung gewährleisten. Die Träger der Rehabilitationsleistungen können zudem künftig stärker die Durchsetzung von bestimmten Kriterien bezüglich Wirksamkeit und Qualität der Leistungen einfordern. Dies wird neben den erhöhten Anforderungen an die Zusammenarbeit mit anderen Leistungserbringern langfristig die Transparenz und den Wettbewerb unter den Anbietern erhöhen. Auch die Schaffung zusätzlicher Ange-bote im Bereich der Beschäftigung kann mit einem erhöhten Wettbewerbsdruck, insbesondere für die Werk-stätten, einhergehen. Gleichzeitig kann die Öffnung für andere Leistungserbringer den Markteintritt von z. B. privat-gewerblichen Anbietern begünstigen.
Mit dem Gesetz erfolgt erstmals eine Flexibilisierung des etablierten statischen Grundsatzes „ambulant vor stationär". Der Grund dafür liegt weniger darin, wirtschaftlich günstige Wohnformen befördern zu wollen, als vielmehr in dem Ziel, alternative und Zwischenformen des Wohnens zu lancieren, die sich im Bereich der Behindertenhilfe aufgrund der Vielschichtigkeit der Betroffenen schon längst herauskristallisiert haben. Durch die Fokussierung auf den einzelnen Betroffenen spielen Leistungserbringer im Bundesteilhabegesetz nur eine geringe Rolle. Insbesondere bei den stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe besteht Unge-wissheit ob der künftigen Handlungssicherheit. Der Anpassungsdruck wird jedoch für alle Einrichtungen hoch sein.
Aktueller Titel: Bundesteilhabegesetz soll am 1.1.2017 in Kraft tretenBundesteilhabegesetz soll am 1.1.2017 in Kraft treten | ![]() |
|
Startseite >> |
Berlin: Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales Andrea Nahles (SPD) verkündete heute in Berlin, dass das geplante Bundesteilhabegesetz wie geplant am 1. Januar 2017 in Kraft treten soll. Zuvor waren ihr von den Aktivisten Constantin Grosch und Raul Krauthausen über 280.000 Unterschriften der Change.org-Petition "Recht auf Sparen und für ein gutes Teilhabegesetz" übergeben worden. Die Ministerin betonte laut einer Presseinformation von change.org: "Fast 300.000 Unterschriften sind ein starkes Signal und üben definitiv Druck auf die Parlamentarier aus." Grosch und Krauthausen hatten in den vergangenen Tagen noch einmal kräftig auf Change.org mobilisiert, um den Druck auf die Politik zu erhöhen.
Neben Andrea Nahles bekundete auch die anwesende Behindertenbeauftragte der Bundesregierung Verena Bentele ihre vollste Unterstützung. Sie hatte bereits vor zwei Jahren als eine der ersten Unterstützerinnen die Kampagne auf den Weg gebracht. Verena Bentele zeigte sich optimistisch, einzelne Abgeordnete durch die Schilderung der problematischen Lebenssituation der Betroffenen überzeugen zu können.
Im Anschluss an das öffentliche Statement von Andrea Nahles gab es einen einstündigen Informationsaustausch zwischen der Ministerin, der Arbeitsebene des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und den beiden Petitionsstartern sowie Vertretern von Change.org. In diesem Gespräch wurden neben der Forderung zur Vermögens- und Einkommensunabhängigkeit auch Themen wie eine unabhängige Beratungen und unterstützte Elternschaft beraten.
Raul Krauthausen erklärte: "Wir freuen uns, dass wir mit unserer Change.org-Petition Bundesarbeitsministerin Andreas Nahles überzeugen konnten. Doch jetzt müssen konkrete Taten folgen. Wir werden den Druck weiter erhöhen, damit ein gutes Teilhabegesetz im nächsten Jahr den Bundestag und den Bundesrat passiert."
Anfang 2016 wird der erste Gesetzesentwurf erwartet. Bis dahin, so Petitionsstarter Constantin Grosch "werden wir alle Möglichkeiten nutzen, weitere Entscheidungsträger, insbesondere Finanzminister Wolfgang Schäuble, für unsere Anliegen zu gewinnen. Denn letztlich muss er die Mittel dafür freigeben."
Link zur Petition, zum aktuellen Zählerstand und zu weiteren Informationen: www.change.org/teilhabegesetz
kobinet.de
Bundesteilhabegesetz
Das Bundesteilhabegesetz
Ein Bundesteilhabegesetz mit gesetzlichen Regelungen für die Teilhabe behinderter Menschen ist im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Deutschland längst überfällig. Bis Mitte 2015 soll ein solches Bundesteilhabegesetz entwickelt und bis Mitte 2016 im Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Das Inkrafttreten 2017 wird von allen Menschen mit Behinderung sehnlichst erwartet.
Die Assistenz im Bundesteilhabegesetz
Die persönliche Assistenz ist im Art. 19 der UN-BRK verortet. Im Prozess der Entwicklung eines Bundesteilhabegesetzes muss der Gesetzgeber durch Lobbyarbeit immer wieder auf die notwendigen Punkte (unabhängige Beratung, Anrechnung von Einkommen und Vermögen, ambulant vor stationär usw.) hingewiesen werden, damit das Gesetz auch im Sinne der Menschen mit Behinderung und nicht nur unter dem fiskalischen Aspekt erstellt und umgesetzt wird. Diese Tatsache und die Tatsache, dass ein Bundesteilhabegesetz für behinderte Menschen wahrscheinlich erst 2017 in Kraft treten wird, ist umso verwunderlicher, in Kenntnis dessen, dass die CDU/CSU bereits 1973 und 2001 Anträge zur Schaffung solch eines Gesetzes im Bundestag eingebracht hatte.
Ein gutes Bundesteilhabegesetz
Informationen zu einem guten Bundesteilhabegesetz finden Sie auf der Internetseite: www.teilhabegesetz.org Bitte unterstützen Sie ebenfalls die Petition zu einem guten Bundesteilhabegesetz, und somit auch unsere Arbeit, auf www.openpetition.de
Mit dem Elektrorollstuhl vom Bodensee nach Berlin: Eine Tour für ein gutes Bundesteilhabegesetz
„Eine Tour für ein gutes Bundesteilhabegesetz“ ist ein weiteres unterstützenswertes Projekt zum Bundesteilhabegesetz für Behinderte Menschen das von Oliver Straub ins Leben gerufen wurde und NITSA e.V. gerne unterstützt. An dieser Stelle möchten wir sein Projekt vorstellen.
Oliver Straub stellt sich zurecht die Frage „Assistenz macht arm, sieht so eine gerechte Teilhabe aus? Weiter führt er aus: „Teilhaben am normalen Leben ist für viele Menschen, die wegen ihrer Behinderung auf Assistenz angewiesen sind, nicht möglich weil die Leistungen, die wir brauchen um selbstbestimmt leben zu können, vom Sozialamt kommen. Somit wird unser Einkommen gekürzt und mehr als 2600 € ansparen ist auch nicht drin. Ein Beruf oder die Selbstständigkeit lohnt sich nicht, man wird arm gehalten und schließt uns somit aus der Gesellschaft und dem öffentlichen Leben aus obwohl die Eingliederungshilfe uns genau das ermöglichen soll. Geld für ein Auto sparen – nicht machbar, Urlaub – wenn überhaupt nur mit finanzieller Unterstützung, eigenes Haus, Heiraten und eine Familie gründen oder Geld für die Altersvorsorge zurück legen, davon können wir im Moment nur träumen.“
Oliver Straub möchte nicht mehr auf Sozialhilfeniveau leben, möchte die Welt bereisen können, finanzielle Sicherheit haben und gleichberechtigt und integriert in der Gesellschaft leben können. Dafür geht er auf die Straße, nicht bei sich zuhause, nicht in einer großen Stadt, sondern er macht sich mit seinem Elektrorollstuhl auf einen 675 km langen Weg vom Bodensee nach Berlin.
Den ganzen Text und mehr Informationen über das Projekt und Oliver Straub finden Sie unter folgendem Link: Eine Tour für ein gutes Bundesteilhabegesetz